Dies und das

Was ist eine Katastrophe?

Man sollte meinen, dass unsere demokratische Gesellschaft an einer Gleichberechtigung und Gleichbehandlung interessiert sei. Naja, dass dies im täglichen Leben nicht immer so ist, sondern dass es sich hierbei vielmehr um ein Idealbild handelt, dürfte jeder schon erfahren haben. Aber gerade diejenigen, die einen großen Anteil an dieser Gesellschaft haben und an ihrer Spitze stehen, sollten mit gutem Beispiel vorangehen und versuchen, dem Idealbild möglichst nahe zu kommen. Leider mussten wir eine andere Erfahrung machen.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hatte nach der Loveparade-Katastrophe einen Hilfsfonds eingerichtet, der nachträglich sogar nochmals aufgestockt worden ist. Da es für uns viele Parallelen zwischen den Verunfallten der Loveparade und Philip gibt (nicht selbstverschuldeter Freizeitunfall, Schuldfrage unegklärt und dadurch keine Haftung), haben wir bei der Landesregierung angefragt (hier unsere Anfrage), ob für Philip und für uns ebenfalls die Möglichkeit der Unterstützung besteht, wie sie für die Loveparade-Opfer und deren Angehörigen durch die Landesregierung mittels des Hilfsfonds gewährt wurde.
Zunächst wurde uns von der Staatskanzlei mitgeteilt, dass unser Schreiben an das zuständige Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales zur Bearbeitung weitergeleitet wurde. Von dort erhielten wir dann das Antwortschreiben auf unsere Anfrage (hier die Antwort). Darin wurde uns mitgeteilt, dass "angesichts einer Katastrophe, in deren Folge 21 Menschen starben und mehrere Hundert verletzt wurden, von einer Regierung Handlungsfähigkeit erwartet wurde." Zudem geht die Regierung davon aus, dass "in einer solchen Situation die Bürger unseres Landes zu Recht ein schnelles und unbürokratisches Handeln der Landesregierung erwarten konnten." Daher wirbt der Verfasser um Verständnis dafür, "wenn außerhalb der Bewältigung von Katastrophenfällen keine gesonderten Hilfen gewährt werden können." Ferner wird darauf verwiesen, "dass das bestehende Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland die Absicherung von Unfallgeschädigten über verschiedene Leistungsträger (z.B. Krankenversicherung, Unfallsversicherung) gewährleistet.

Daraus ergeben sich für uns als Angehörige von Philip folgende Fragen und Antworten:
  • Warum muss solch ein Fonds für die Loveparade-Opfer eingerichtet werden, wenn sie doch durch das Sozialsystem abgesichert sind?
  • Wird von der Landesregierung nur Handlungsfähigkeit erwartet, wenn so und soviele Menschen gleichzeitig verunglücken? Wie viele Menschen müssen gleichzeitig verunglücken, damit ein unbürokratisches Handeln erwartet wird? Es steht für uns fest, dass, wenn nur eine Person verunglückt, nach Einschätzung der Landesregierung kein unbürokratisches Handeln erforderlich ist.
  • Was versteht die Landesregierung unter einer Katastrophe? Ist der Verlust der Fähigkeit zu sprechen, zu laufen, zu essen, sich irgendwie bemerkbar machen zu können, sich bewegen zu können und ein menschenwürdiges Leben führen zu können keine Katastrophe? Offensichtlich nicht, denn außerhalb der Bewältigung von Katastrophenfällen wird keine gesonderte Hilfe gewährt. Ob es sich um eine Katastrophe handelt, hängt scheinbar davon ab, wie viele Personen noch zu Schaden gekommen sind. Allerdings dürfte es sehr schwer werden, einer allein verunfallten Person, die nach dem Unfall schwerstbehindert ist, diese Sichtweise zu vermitteln. 
Warum wird bei der unbürokratischen Unterstüzung von Unfallopfern mit zweierlei Maß gemessen? Nach Ansicht der Landesregierung muss man von einer "Katastrophe" betroffen sein, um eine solche Hilfe zu erhalten. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass es nicht das Mitleid oder die Hilfsbereichtschaft war, die die Landesregierung dazu veranlasst haben, diesen Hilfsfonds für die Loveparade-Opfer auszusetzen. Ginge es hier um menschliche Belange, wäre Philip, wie anderen Personen auch, die nicht medienträchtig verunfallt sind, auch die Hilfsbereitschaft zuteil geworden und sie hätten auf eine unbürokratische Hilfe zählen können. Es war und ist für die Landesregierung um die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sicherlich sehr hilfreich, dass angesichts der Loveparade-Katastrophe die Einrichtung eines Hilfsfonds seitens der Landesregierung ausgiebig in den Medien Erwähnung fand. Wem soll dieser Hilfsfonds denn am Ende eine Hilfe sein?

Um diese Frage eventuell beantworten zu können, werden wir die oben aufgeworfenen Fragen an unseren Bundespräsidenten Chrsitian Wulff stellen, da dieser selber die Einrichtung eines Hilfsfonds gefordert hatte. Ich werde euch an dieser Stelle darüber berichten.

Abschließend möchten wir als Angehörige von Philip klarstellen, dass wir keinesfalls Einwände gegen die Unterstützung und die unbürokratische Hilfe der Loveparade-Opfer und ihrer Angehörigen haben. Wir gönnen sie ihnen von ganzem Herzen, denn auch wir wissen, dass man Geld zwar nicht direkt in Genesung (indirekt zum Teil aber auch), aber oftmals in Lebensqualität umsetzten kann.
Wir sind nur der Meinung: Wenn einer, dann alle!

Willkommen in Holland

Diese Geschichte wurde uns von einer Therapeutin überreicht. Die Autorin ist selber Mutter eines behinderten Kindes und schrieb u.a. Beiträge für die Sesamstrasse.
Auch wenn wir nach wie vor die Hoffnung haben, dass es sich bei Philips gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur um einen vorübergehenden (wenn auch lange anhaltenden) Zustand handelt, so gibt diese Geschichte doch sehr treffend die Empfindungen der Freunde und Angehörigen wieder, insbesondere der Mutter.
Die Geschichte findet ihr hier.

Der Brief an Freunde und Verwandte

Um all die vielen Fragen zu Philip, die euch in den letzten Tagen und Wochen vielleicht beschäftigt haben, beantworten zu können, haben wir (die Eltern und Thorsten) einen Brief an alle geschrieben, die sich für Philip interessieren. Den Brief vom 20. Mai findet ihr hier.


Der besondere Brief

Herr Dirk Zander (Philips Lateinlehrer) hat es sich nicht nehmen lassen, die Genesungswünsche auf Latein zu formulieren. Alle Römer und die, die des Lateinischen mächtig sind, finden den Brief hier.
www.philip-steinwender.de Impressum:
Thorsten Peters www.thorstenpeters.eu